Hi,
fangen wir doch mal vorne an:
die Wasserwerte, die Händler im Regelfall nennen kann man auch gleich wieder vergessen. Für gewöhnlich werden da die Werte angegeben, in denen die Art noch gehalten werden kann. Da steht nirgendwo etwas von einem Optimum, und es kommt immer sehr auf die Tiere selbst und die Haltungsbedingungen an, aus denen sie stammen, an welcher Stelle der Range sie sich wohl fühlen.
Wenn man die geposteten Werte mal anschaut, so wird man sich sicher vorstellen können, dass Tiere die vom oberen Rand der Skala kommen nicht wirklich glücklich sein werden, wenn man die nun mit den (Extrem)Werten am anderen Ende der Skala halten möchte.
Es wird auch oft diskutiert wie uncool das ist, wenn Händler sogar Neocaridina auf Osmosewasser halten. Ja, für den Leitungswasserhalter ist das manchmal blöd, aber ein Händler mit vielleicht mehreren 1000 Tieren in seiner Anlage wird im Regelfall nicht sein Einkommen riskieren, indem er beim Wasser pokert. Da ist es einfach sinniger für ihn das Wasser selbst aufzubereiten und auf Nummer sicher zu gehen. Von daher sind Tiere von privat und aus Liebhaberzucht in meinen Augen vorzuziehen. Abgesehen davon, dass es deutlich günstiger ist und man einem Hobby-Kollegen vielleicht noch überzählige Tiere abnimmt, die ein Händler evtl. importieren müsste.
Wie die vielen freudigen Halterberichte, die von Nachwuchs handeln, im Forum verkünden, haben die lieben Tierchen ja durchaus die Tendenz sich gut zu vermehren, wenn man es ihnen in ihrer kleinen Welt nett macht und sich gut (vernünftig, keine Intensivstation draus machen) um sie kümmert.
Aber mal zurück zur Ausgangsfrage:
Die pH-Senkung ist in meinen Augen kein wirkliches Muss. Das sehe ich so, weil man mit der pH-Senkung in der Garnelenhaltung hauptsächlich 2 Effekte verbindet und erhofft.
1. Keimzahlsenkung und desinfizierende Wirkung eines niedrigen pH-Werts
Naja, in gewissen Grenzen mag das stimmen und nicht alle Bakterien sind wirklich säuretolerant und mögen daher keinen niedrigen pH. Das ist aus der Mikrobiologie gut belegt und man kann es auch im heimischen Aquarium beobachten, wenn man z.B. ein neues Soilbecken einfährt. Dort dauert das Einfahren nämlich deutlich länger, als bei Becken mit passivem Bodengrund, obwohl der poröse Soil Besiedlungsfläche en masse für die Bakkis bietet. Allerdings sind im Bodegrund auch mal pH-Werte von 5 zu messen, und die weniger säuretoleranten Bakterien kommen nicht in den Quark.
Jetzt kommt das große ABER: Die Becken laufen trotzdem nach einer gewissen Zeit ein, weil sich die Bakterienpopulation hin zu den säuretoleranteren Arten verschiebt. Also ist ein niedriger pH-Wert keine Garantie für ein keimarmes Becken. Es sind nur andere Keime da.
2. Die Angst vor dem Ammoniak
Es stimmt, Ammoniak ist für Wasserbewohner ein Atemgift und auch sonst nicht wirklich gesundheitsfördernd, aber man muss mal schauen, wo sich Feind versteckt hält. Ammoniak steht im Aquarium in einem chemischen Gleichgewicht mit Ammonium.
Bei einem sauren pH-Wert wird Ammoniak zu Ammonium protoniert, da das Zentralatom Stickstoff als Bewohner der 5. Hauptgruppe im Periodensystem der Elemente 5 Außenelektronen trägt, von denen es 3 zur Bindung mit Wasserstoff verwendet. Dabei bleibt ein freies Elektronenpaar zurück, welches den Andockpunkt für ein Proton bildet:
Mit der Aussage, dass es sich um ein chemisches Gleichgewicht handelt wird dann auch klar, dass IMMER minimale Mengen Ammoniak vorhanden sein müssen, die aber unkritisch sind. Erhöht sich der pH-Wert, so stellt sich das Gleichgewicht neu ein, indem mehr Ammonium ein Proton wieder abgibt und zu Ammoniak wird.
Das klingt jetzt erstmal ziemlich beängstigend, doch auch hier gibt es ein ABER: Der Begriff Gleichgewicht sagt absolut nichts über eine absolute Menge aus. Zieht man einen Vergleich zu einer Wippe, so können da 2 Personen mit 60 Kg drauf sitzen und im Gleichgewicht sein, bei zwei Personen mit jeweils 120 Kg wäre es aber genauso, auch wenn jetzt insgesamt das doppelte Gewicht auf der Wippe sitzt.
Also liegt das Geheimnis wahrscheinlich darin, dass Gesamtgewicht auf der imaginären Ammoniak-Ammonium-Wippe gering zu halten, sprich möglichst wenig Ammonium im Wasser zu haben, welches zu Ammoniak werden könnte. Hier kommen wir dann zur Abbaukette, die vereinfacht so abläuft:
Dazu folgende Überlegung:
Im Normalfall kann man in einem gut funktionierenden Aquarium kein Ammonium und kein Nitrit messen, wenn der Proteineintrag durch Futter und Ausscheidungen der Tiere angepasst zur Abbauleistung des Beckens erfolgt. Den Abbau übernehmen dabei freundlicherweise Bakterien mit so wohlklingenden Namen wie Nitrosomonas und Nitrobacter. Diese liebenswerten Bakterien tun dies, um sich selbst zu ernähren, und um Energie zu gewinnen, haben also im Normalfall kein Interesse am Rückwärtsgang, der Energie verbrauchen würde.
Daher kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die Ammoniummenge im Aquarium immer sehr gering sein müsste und dieses Ammonium fast komplett und sofort zu Nitrit und dann zu Nitrat abgebaut wird. Das scheint auch zu stimmen, denn Ammonium- und Nitrittest zeigen eigentlich immer 0 an.
Schaut man jetzt mal zu den Haltern von Sulawesigarnelen ins Aquarium, so stellt man überrascht fest, dass manche Arten pH-Werte von deutlich über 8 bevorzugen um gut zu gedeihen. Es gibt dazu sogar ein spezielles Aufhärtesalz um diesen Wert zu erreichen, allerdings wird dort keine große Ammoniak-Diskussion geführt, oder ich habe sie einfach nicht mitbekommen. Also scheint dort das Ammonium auch gleich abgebaut zu werden.
Wenn wir jetzt nochmal kurz auf die Senkung der Karbonhärte mit Erlenzapfen und Seemandelbaumblätter schauen, so möchte ich einen kleinen Denkansatz in den Raum stellen:
In den Herbst- und Wintermonaten trinken viele Menschen sehr gerne Tee (ich weiß: Es gibt auch Ganzjahresteetrinker
). So ein Teebeutel, und da habe ich gerade nachgeguckt, enthält 1,2g Tee und ist für eine Tasse mit etwa 250-300 mL Wasser gedacht. Das handelsübliche Seemandelbaumblatt brachte eben etwa 5g auf meine Digitalwaage, wobei ich mich jetzt für die Genauigkeit nicht verbürgen will, aber großzügig gerechnet sind das 5 Teebeutel und wären damit für maximal 1,5L Wasser gedacht.
So betrachtet schätze ich die Chancen eine Seemandelbaumblattes als sehr gering ein, wenn es darum geht die Macht über den pH-Wert in 20L Wasser an sich zu reißen.
Der Nutzen der Seemandelbaumblätter liegt daher wohl er im Einbringen anderer, nützlicher Bestandteile.
Also, Gegenfrage zur Grundfrage: Macht es Sinn unbedingt einen bestimmten, und sog. Idealwert im Becken erreichen zu wollen?
Meiner Meinung nach nicht, solange man es schafft Umweltbedingungen im Toleranzbereich der Tiere bereitzustellen und sie beim Usetzen und Umgewöhnen nicht zu überfordern.
Ein Indiz für diese Vermutung könnt z.B. sein, dass die ersten Würfe der Tiere in neuer Umgebung kleiner ausfallen als nach längerer Stand- und Anpassungszeit im Becken. Waren die Eier vielleicht da und es sind die während der Entwicklung abgestorben und abgeworfen worden, die nicht mit den Umweltbedingungen klar kamen? Wenn das so ist, wäre das eine natürliche Anpassung der Population an die neuen Umweltbedingungen.
Ich würde mir daher Tiere von privat suchen, die auf möglichst identischen Wasserwerten gehalten wurden, damit die Umstellung nicht so groß ist, und einfach schauen, wie sich die Population über ein paar Generationen entwickelt.
VG vom Himalaya
Yeti