Hallo,
bei genauerer Betrachtung sind hier einige Unstimmigkeiten zu finden:
1. Der Cl-Wert kann so nicht richtig sein. Aquaristische Wassertests reagieren nicht auf Chloride wie z.B. Cl- aus KCl, wie es manchmal zur Kaliumdüngung verwendet wird, sondern es geht dabei schon um freies Chlor/Hypochlorid, welches mit Stickstoffverbindungen zu Monochloramin reagieren könnte.
Also behauptet der Wassertest ernsthaft, dass sowohl in der Leitung als auch im Becken ein Cl-Wert von 0,8 vorliegt. Jetzt wurde hier ja schon wiederholt vom Abstehen- oder Ablaufenlassen des Wechselwassers gesprochen. Ok, an sich eine sinnvolle Methode um Leitungswasser frei von Chlor zu bekommen, aber wie will man den Chlor-Wert im Becken im Becken durch chlorhaltiges Leitungswasser erklären?
Wir erinnern uns mal rasch: Beckenvolumen 30L (Netto vielleicht 25L?) und etwa alle 1,5 Wochen werden davon 5L durch Wasserwechsel ausgetauscht. Zwischenzeitlich wird das Becken aber mittels Luftheber gefiltert, also muss das Chlor, wenn es denn da ist, entweder mit stickstoffhaltigen Verbindungen abgreagieren oder aber durch den Luftheber ausgetrieben werden. In beiden Fällen sollte der (mögliche) Chlorgehalt des Wassers im Aquarium dann vor dem Wasserwechsel wieder gegen 0 gehen. Auf jeden Fall muss er aber deutlich geringer sein, als der Chlorgehalt des Leitungswassers. Rein aus Sicht der Mathematik ist es aber nicht möglich, durch Zugabe von 20% Wasser mit einem angenommenen Chlorgehalt von 0,8 auf einen Gesamtchlorgehalt von 0,8 in 25L kommen.
Daraus folgt: Der Wassertest kann nicht korrekt sein.
2. Ammonium und Ammoniak
Es stimmt, Ammoniak ist für Wasserorganismen sehr giftig und auch sonst nicht wirklich gesundheitsfördernd. Allerdings liegt das chemische Gleichgewicht zwischen Ammonium und Ammoniak beim gemessenen pH-Wert von 7,6 klar auf der Seite des Ammoniums, also ist es höchst unwahrscheinlich, hier größere Ammoniakmengen anzutreffen.
3. Nitrit und Salpetrige Säure
Wie oben von mir bereits beschrieben, ist für einen großen Übergang von Nitrit in Salpetrige Säure der pH-Wert in diesem Falle zu hoch. Bienenwasser mit einem pH deutlich unter 7 wäre da schon wieder etwas anderes und ist daher nicht mit den vorliegenden Werten vereinbar.
Außerdem: Was für Symptome zeigt eine Nitritvergiftung? Bei Fischen sieht man die Tiere sehr heftig mit Kiemen arbeiten, weil sie schlicht und ergreifend unter Atemnot leiden. Wie jeder erfahrene Halter von Garnelen irgendwann schon einmal beobachten konnte, reagieren Garnelen anders:
Wird ihnen die Luft zu dünn, suchen sie für gewöhnlich die Wasseroberfläche auf, und verbleiben dort. Sie neigen aber nicht zu fröhlicher Aktivität. Die TE schreibt jedoch, dass ihre Garnelen fröhlich umherwuseln, fressen und sich häuten, jedoch dummerweise nur gelegentlich aus ungeklärter Ursache zu Tode kommen.
4. Der „Wasseraufbereiter“
Um was es sich bei dem Wasseraufbereiter handelt, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Befragt man Google, so landet man auf der Website einer Pflanzenhandlung, die wohl nebenbei ein wenig Zooartikel als wechselndes Angebot mitverkauft. Von daher her kann so ziemlich alles in der Flasche sein, wenn der Anbieter einfach ein Produkt auf seine „Hausmarke“ hat umlabeln lassen.
Der Begriff „Wasseraktivator“ führt nämlich zu einem Hersteller abseits der großen Marken, der ein Bakterienpräparat (Filterstarter) anbietet, welches sich der Händler individuell labeln lassen kann.
Von daher weiß der Kuckuck, was da in der Buddel ist, und ob es überhaupt eine Wasseraufbereiterfunktion im Sinne einer Schadstoffbindung besitzt.
5. Wasserwerte
Wie der ominöse Cl-Wert zeigt, scheint der Wassertest eine Macke zu haben. Bevor jetzt wieder die „Teststäbchen sind ja so sch…“-Diskussion losbricht: Ja, Tropfentests sind genauer, aber im Normalfall erreicht man auch mit Streifentests ein brauchbares Ergebnis, wenn es nicht um Fragestellungen minimaler Empfindlichkeit geht, und selbst die hochgelobten Tropfentests sind nicht so genau, wie behauptet wird. Stör-Ionen sind prinzipiell bei allen Farbnachweisen ein Thema.
Im vorliegenden Fall wäre wohl ein Blick auf das Verwendbarkeitsdatum und die Frage, ob der Test immer korrekt gelagert wurde eine Überlegung wert, wobei eine Fehllagerung ja auch schon im Handel oder auf dem Transport in Betracht kommt.
6. Pflanzen
Sicherlich kommen die Pflanzen als Quelle eines Pestizids in Betracht, allerdings muss man dabei kritisch hinterfragen, wie wahrscheinlich das ist. Die Beschreibung im Fragebogen klingt nicht nach einer hohen Pflanzenmasse (hier wäre ein Foto vom Becken sicherlich vorteilhaft), also stellt sich die Frage, wieviel Pestizid kann generell aus so wenigen (?) Pflanzen kommen, und was ist nach 3 Monaten Laufzeit davon noch vorhanden?
Dem gegenüber steht natürlich die geringe Wasserwechselrate von lediglich 5L, wobei es für gewöhnlich ja so ist, dass beim Reinigen des Beckens schon größere Wassermengen entfernt werden. Allein schon um Scheiben und Boden besser zu erreichen. Daher kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Wechselmenge insgesamt nicht so klein war, wie zunächst angenommen.
7. Gestörte Abbauketten-Theorie
Sicherlich stimmt es, dass eine massive Beckenreinigung Unordnung in den Beckenkreislauf bringt, aber Bakterien sind auch nicht doof und die sesshaften Bakterien besitzen z.B. die Fähigkeit sich mittels spezifischer Haftsubstanzen auf Oberflächen zu befestigen. Wenn man also nicht wirklich so gründlich ist, alle Oberflächen des Beckens und der Pflanzen und der Einrichtung penibel zu reinigen, kriegt man die Bakterien nicht einfach so los. Wir reden hier auch von 15 Tieren, die bei mäßiger Fütterung gar nicht so viele Reststoffe produzieren können, um das Becken bzgl. der Ammonium-Nitrit-Nitrat-Bilanz an die Wand zu fahren.
Von daher bleiben am Ende 2 Hauptverdächtige übrig:
Die Pflanzen oder der Farbkies, wobei die Pflanzen ja schon 3 Monate im Becken sein sollen und offenbar auch nicht so viele Pflanzen vorhanden zu sein scheinen.
Wenn man wirklich noch an Chlor glauben möchte, so würde es Sinn machen, ein Topf Leitungswasser für ein paar Minuten aufzukochen. Dann ist evtl. vorhandenes Chlor definitiv weg. Zeigt der Wassertest nach dem Abkühlen des Wassers dann immer noch einen positiven Chlorwert, so darf der Wassertest getrost als Snack für den Mülleimer dienen.
Was die Tiere betrifft, so bringt ein einfaches Experiment Aufschluss darüber, wo der Schuldige zu suchen ist: Ein großer Topf abgekochten Wassers ist per Definitionem chlorfrei. Also sollten sowohl Schnecken als auch Garnelen in diesem Wasser (natürlich nach dem Abkühlen) problemlos leben können, wenn es darin keine Substanz darin gibt, die mit „Bordmitteln“ nicht nachweisbar ist.
Auch das normale Leitungswasser sollte geeignet sein, wenn sich herausgestellt hat, dass der Wassertest fehlerhaft ist. Kommen die Tiere mit dem Leitungswasser außerhalb des Beckens klar, ist dies der Beweis, dass die Ursache für das Sterben im Becken und nicht im Wasser zu suchen sein muss.
Dann bleiben wirklich nur Pflanzen und Einrichtungsgegenstände über, und die sicherste Methode wäre dann, die 2cm Bodengrund zu verwerfen und die Pflanzen kräftig zu wässern, bevor die Tiere wieder nach Hause dürfen.
Ich versuche es mit dem Wasseraufbereiter von JBL, den ich sonst in den anderen Becken verwende.
Die 30 Tage auf den Marktplatz kann ich ja noch warten.
Kurze Frage: Was machen denn die Schnecken in den anderen Becken? Und weisst der Wassertest dort auch auf Chlor hin? Außerdem, warum verwendest du den Wasseraufbereiter in den anderen Becken, aber nicht im Garnelenbecken? Wenn du Wasseraufbereiter bei deinem Wasser generell für notwendig erachtest, verstehe ich gerade nicht, warum du ihn dann im Becken der empfindlichsten Tiere ausgerechnet weglässt?
Wenn es noch andere Becken mit dem gleichen Wasser gibt, verbreitert sich ja die Informationsbasis. Das ist nützlich.
@Jazahra:
So komplizierte Wasserchemie ist aber bei jemandem, der nicht mal von Pflanzen wässern gehört hat, fehl am Platz meiner Meinung nach.
Einem anderen User das Verständnis für Wasserchemie absprechen zu wollen, zeugt schon von Selbstvertrauen und Diskutieren auf Augenhöhe.
VG vom Himalaya
Yeti