Moin,
mal ein paar grundsätzliche Sachen:
Wenn ich manchmal über Garnelenhaltung lese habe ich den Verdacht, dass hier Naturgesetze neu erfunden werden bzw. nicht gelten sollen.
Es gibt doch in der Aquaristik wahrlich genug Fische, bei denen die Zucht vergleichsweise schwieriger ist. Sei es, dass es das Wanderverhalten in völlig anders strukturierte Gewässer (z.B. einige Schmerlen/Schmerlenartige) zu berücksichtigen gilt, sei es, dass ich die mit Regenzeiten verbundenen Änderungen der Wasserwerte simulieren muss, oder, im übertragenen Sinne, dass ein Eingeborener bei Vollmond mit einer Trommel vorm Becken hüpft damit es klappt (von Hormonbehandlung mal ganz abgesehen).
Komischerweise ist bei diesen ganzen Problemen nicht wirklich von sog. "Soils" die Rede.
Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die Verwendung von "Soils" in Abrede stellen oder befürworten ... ich bin da wertneutral!
@ Tom:
Um auf Deine Frage(n) bzgl. eines stabilen, niedrigen pH-Wertes einzugehen - da stellt sich ja schon die grundsätzliche Frage, was "niedrig" ist.
Für jeden, der hier erfolgreich 5,5 - 6,0 propagiert wirst Du mindestens einen finden, der, nach handelsüblichen Tests (!), seine Tiere (hier mal bezogen auf 'Taiwaner') irgendwo bei 6,5-6,8 hält.
Also ist die Frage, wieviel "pH" für einen stabilen Stamm überhaupt ausschlaggebend ist.
Wenn Du fragst, was einen pH-Wert niedrig stabilisiert - so einfach ist das nicht zu beantworten. Ich versuche mich mal "kurz" zu halten - deswegen mal eine eher grobe, nicht ganz detaillierte Übersicht.
Dirk (HMF=The Best) hat schon in die richtige Richtung gedeutet. Eine vernünftige Filterung, sprich ein korrekt dimensionierter HMF oder ein großzügiger, korrekt laufender (beschickter) Topffilter "schaffen" schon ihr eigenes "Klima", denn viele Mikroorganismen erzeugen ein recht saures Milieu. Dazu kommen in diesen Filtern auch bestimmte Humifizierungsprozesse, welche organische Säuren (Fulvosäuren, Huminsäuren) produzieren, die einerseits sogar bestimmte Ionentauscherkapazitäten haben. Andererseits üben Humate auch eine Pufferwirkung in einem System aus, so dass eine (handelsüblich) nachweisbare KH nicht mehr zwingend notwendig ist. Einiges dazu hatte ich kürzlich
hier geschrieben ... da "läuft" mehr ab, als Du denkst!
Als "Nebeneffekt" gibt eine solche Filterung auch permanent wieder Spurenelemente ins Wasser ab.
Also, das was oftmals (unverständlicherweise) als "Braunfärbung" so verschrieen ist und mit unerwünschten Phenolverbindungen gleichgesetzt wird, ist eigentlich die Auswirkung eines mehr als sinnvollen natürlichen Puffersystems.
Dazu kommt in vielen Anlagen, auch bei kleinen, nackten Zuchtbecken, eine oftmals wesentlich größere Wassersäule, entweder "versteckt" in der Filterung oder simuliert durch eine Durchflußanlage (entweder in Kombination als Filter oder eben nur duch aufbereitetes Wasser gespeist).
Genau das gleiche leistet auch ein biologisch aktiver Bodengrund, z.B. durch den Einbau eines Bodenfluters (Heizkabel). Dafür wären aber bei einer Minimalleistung von 4W mindestens Standard-Beckengrößen (60x30x30cm) nötig.
Wirklich, wie ich immer schreibe, bei einem biologisch stabilen Becken kannst Du beim Wasserwechsel 10% Leitungswasser reinhauen, Handstand vorm Becken machen und Alice-Cooper-Platten rückwärts hören, da änderst sich der pH-Wert nicht mehr ...
Klar, wenn Du nur Osmosewasser verwendest, müssen ja Deine H+-Ionen auch mal irgendwoher kommen, also z.B. aus Säuren. Ob Du das über Torf, HCl oder sonstwas bewerkstelligen möchtest, ist Deine Entscheidung. Das CO2 ist da ein "flüchtiger" Kandidat am Rande.
So, was bleibt für Dich?
Ich kenne Deine Beckengröße nicht - daher:
1. Eine vernünftige Filterung (Topffilter, HMF, aber bitte "korrekt" aufgebaut bzw. befüllt). Ein Topffilter kann auch schonmal eine Vergrößerung der Wassersäule bedeuten ... je nach "Gurkenglas" auch nicht unerheblich. Warum hat so manche Zuchtanlage manchmal 5-10% des Beckenvolumens als Filtervolumen?
2. Ein biologisch wirksamer, eingefahrener, leicht durchströmter Boden, also z.B. bei einem 54er ein 4W Bodenfluter mit 4cm Bodengrund (1-2mm Körnung), bei Garnelen gerne auch Lavasplitt ...
3. Geht weder das eine noch das andere, dann eben eine entsprechende Aufbereitung des Wassers extern - UO, VE, Torf, Verschnitt, etc. ...
4. Ist je nach Erfordernissen/Gegebenheiten (Zuchtbecken/Schaubecken) die Wassersäule bzw. die Filterung zu klein, der Bodengrund nebensächlich, die Wasserpanscherei nicht erwünscht, die Schwankungen (z.B. durch Bepflanzung) in den Augen des Betrachters oder der Tiere doch zu groß, ...
dann eben Soil ...
Die andere Seite ist halt immer die Überlegung ob es nicht sinnvoller ist, anfangs evtl. "drei Nachwuchstiere weniger" in Kauf zu nehmen, dafür aber nach ein paar Generationen eine stabilen Stamm kräftiger Tiere zu besitzen, die nicht mehr auf Reagenzglasbedingungen angewiesen sind.
Ich habe meine Garnelen alle von Leuten, die das ihren Stämmen auch nicht bieten, und von daher fühlen sich die "Schmuddelkinder" auch bei mir wohl und ich muss mir keine Überlegungen machen, wann was zu messen oder auszutauschen ist.
Ein keimarmes Becken bzw. ein ionenarmes Wasser haben nichts mit einem "aktiven Bodengrund" zu schaffen ...