Hallo Chris,
ganz ernsthaft: Es gibt in amerikanischen Museen konserviertes Material von Cambarellus, das zum Beispiel von Hobbs oder Bouchard als Cambarellus sp. determiniert wurde, obwohl diese Herren anderes Material (zum Teil der gleichen Sammler/ Sammeltouren) sehr wohl bestimmen und bekannten Arten zuordnen konnten.
Nun könnte man argumentieren, dass vielleicht das vorliegende Material nicht bestimmbar war (Weibchen, Jungkrebse), doch wird sogar aufgezählt, wie es sich an den jeweiligen Fundorten verteilt: Männchen Form I, Männchen Form II, Weibchen, Jungtiere.
Ich habe mich in die Materie rein aus Interesse einige Jahre eingearbeitet und bin diesen Tatsachen weiter nachgegangen, habe diverse bekannte Fundorte aufgesucht und weitere Populationen hinzu gefügt bzw. das Verbreitungsgebiet erweitern können. Wenn man dann feststellt, wie die anscheinende Verbreitung sich darstellt (bestimmte Flusssysteme/Verbreitungsschwerpunkte), kann man schon zu dem Schluss kommen, dass sich hier während der Bestimmung möglicherweise für die Fachleute Fragen auftaten, die zu beantworten viel Zeit und Arbeit gekostet hätte.
Nun ist die Artdetermination bis heute eine Sache für sich, es stellt sich beispielsweise die Frage, nach welcher Methode man vorgeht. Aber egal ob klassisch, kladistisch, mit Sequenzierung oder sonstwie (über Vor- und Nachteile der einzelnen Vorgehensweisen können wir gerne mal ausführlich persönlich diskutieren), mir stellt sich in diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die systematische Stellung zusätzlich noch die Frage nach dem zeitlichen Aspekt. Wir machen doch lediglich im Zeitfluss eine Momentaufnahme, und gerade bei Arten mit schneller Generationenfolge ist dieser Fakt nicht unerheblich. So glaube ich manchmal (das gilt beispielsweise für einige Arten aus der Verwandtschaft der Eierlegenden Zahnkarpfe), dass es besser (weil genauer) wäre, von Populationen (zum Zeitpunkt X) zu reden. Aber da kommen wir dann auch schon schnell zu Fragestellungen, die das gesamte System anbetreffen: Die Splitter verfeinern beispielsweise die Gattungseinteilung immer mehr, so dass man als Endergebnis monotypische Gattungen erwarten muss. Benötigen wir dann überhaupt noch den Gattungsbegriff? Könnte man ihn durch Verwandtschaftskreise oder Artverwandtschaften ersetzen? Aber auch dies sind Dinge, die man schlecht in Foren diskutieren kann, dazu sind sie für die meisten Leute einfach zu abstrakt und uninteressant.
Doch noch einmal zurück zu Deiner Ausgangsfrage: Für mich ist es nicht zwingend notwendig und eventuell sogar falsch, jede Population Cambarellus einer der existierenden Arten zuzuordnen. Das gilt im Besonderen für die noch unbestimmten Formen. Wenn die Halter und Züchter mittelfristig an reinen Stämmen ihre Freude haben wollen, bedarf es der klaren Trennung. Was eignet sich da besser als ein Zusatz zum Artnamen oder zum "sp."? Bei den Eierlegenden Zahnkarpfen macht man das mit teilweise komplizierten Fundortcodes, die Übertragungs- sprich Rechtschreibfehler in sich bergen. Ich habe das etwas vereinfacht, indem ich lediglich drei Buchstaben verwende (HUB, LOU, BOU, usw.), obwohl ich praktisch zu allen sogar mit punktgenauen GPS-Codes aufwarten könnte. Wenn die jeder bei der Zucht und Weitergabe berücksichtigt, kann eigentlich nichts schief gehen. Man ist allerdings auf die Ehrlichkeit aller angewiesen, sonst haben wir früher oder später doch den von mir befürchteten Einheitsbrei.
Gruß
Friedrich