Hallo allerseits, hallo
@Katzenfische,
da dieser Thread, wie ich sehe, der aktuellste Brackwasser Thread ist, dachte ich ich melde mich mal zu den Halocaridina Rubra zu Worte. Ich halte die Ulas seit 2013. Angefangen habe ich mit 7 + 3 Tieren die aus Ecospheren befreit wurden. Inzwischen habe ich gut 300 vielleicht auch mehr, das lässt sich schwer einschätzen. Sie leben derzeit in einem 30L Becken. Diese Größe war bis jetzt vollkommen ausreichend.
@Brackiefan hat die Haltung ziemlich gut erklärt, auch wenn ich in Kleinigkeiten abweichen würde.
Ich nutze einmal die Gelegenheit um meine Erfahrungen und Tipps zusammen zufassen:
- Temperatur: Meine Garnelen leben bei Zimmertemperatur und es geht ihnen auch im Hochsommer gut. Sorgen würde ich mir in Deutschland lediglich machen, bei einer Hitzewelle von dauerhaft 30 Grad oder mehr in der Wohnung, wenn die Garnelen in der prallen Sonne stehen (Überhitzungsgefahr auch bei geringeren Temperaturen), oder bei sehr geringer Wasseroberfläche und dadurch geringe Belüftung (zum Beispiel bei Haltung in einer Vase mit engem Hals oder Ähnlichem). Vor allem die Kombination dieser Faktoren könnte gefährlich sein.
- Beckengröße: Die Garnelen gedeihen auch auf kleinem Raum sind allerding sehr schwimmfreudig. Die Größe ist daher eine Abwägung zwischen visuellen Vorteilen (hübsches kleines Becken, Sichtbarkeit von vielen Garnelen gleichzeitig) und Tierwohl (Platz zum Schwimmen, viele Oberfläche zum Abgrasen, guter Sauerstoffaustausch, Temperaturstabilität, Stabilität von Salzgehalt beim Verdunsten). Die Schwimmrichtung ist hauptsächlich horizontal, bis sie auf ein Hindernis stoßen auf dem sie sich absetzen (was in einem Becken von 30L zu eher kleinen Schwimmwegen führt). Ab und zu schwimmen sie auch Bögen oder kleine Loopings, die meiste Zeit sind sie bei mir aber auf den Glasscheiben anzutreffen. Eine Möglichkeit das Visuelle und das Tierwohl zu verbinden sehe ich in der Kombination aus Lavagestein, Muschelgrit, und einer sehr großen Skulptur als Blickfang zum Beispiel aus gebrannter Keramik oder aus Treibholz (auf Etsy zum Beispiel gibt es tolle Skulpturen und künstliche Bonsaibäume aus Treibholz die visuell sehr eindrucksvoll sind und von Hand hergestellt werden.
- Grünzeug: Grünzeug das zuverlässig überlebt wurde noch nicht gefunden. Wenn man hofft in einem Becken für Halocaridina Rubra Grünzeug einzubringen muss man entweder viel Glück mit Urlaubsmitbringseln (z.b. Gestein aus dem Meer) haben, bereit sein mit dem Wohl der Tiere zu experimentieren (z.b. mit dauerhaft über oder unterdurchschnittlichen Salzgehalten) oder sich darauf einstellen viel Zeit (wahrscheinlich Jahre) mit der Suche nach und der Experimentation mit Pflanzen und Makroalgen mitzubringen (siehe auch Punkt Brackwasser). Ich persönlich habe mit Makroalgen aus einem etablierten Meerwasserbecken experimentiert und hatte keinen Erfolg. Mein nächster Versuch wäre mit Seegras aus Flussmündungen zum Meer gewesen. Oder mit Mangroven-samen. Hierfür hätte ich auch recherchiert ob es gute Langzeitdünger für den Bodengrund gibt, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass sie nur sehr sehr wenig und über lange Zeit ans Wasser abgeben.
- Einrichtung: Es sollte viel Oberfläche zum Abgrasen vorhanden sein. Lavastein beispielsweise ist porös und bietet eine gute Grundlage für das Wachstum von Mikroalgen und Bakterien. Kalkhaltige Steine, Muscheln etc. können bedenkenlos mit eingebracht werden und sind von Vorteil wenn Schnecken dazugegeben werden sollen.
- Nährstoffhaltigkeit: Die Formulierung Nährstoffhaltiges Becken ist etwas ungenau. Nährstoffe können ja prinzipiell gebunden (in den Algen), in der form von kleinen Molekülen im Wasser (Stichwort Nitrit und Nitrat), gespeichert (zum Beispiel durch einen langzeitdünger tief im Bodengrund) und Gebunden aber freischwebend ( z.b. Phytoplankton) vorkommen. Probleme haben die Garnelen wie alle Tiere wenn die Wasserqualität leidet, sprich wenn hohe Nitrit und sehr hohe Nitratwerte vorhanden sind. Alles andere, wie zum Beispiel die Menge der Algen, Dünger im Boden der die Wasserqualität nicht beeinflusst etc. ist den Garnelen erstmal egal außer es bring Probleme mit sich (der Dünger geht halt doch ins Wasser oder die Garnelen und Baby verfangen sich in Fadenalgen und verenden). Eine Zufütterung mit lebenden Phytoplankton bei Vergesellschaftung mit Tieren die einen höheren Bedarf an Nahrung haben, könnte man daher meiner Meinung nach testen, wenn man eine Sorte findet die auch in Brackwasser weiterleben kann. Schön sieht das natürlich nicht aus. Aber auch wenn lebender Phytoplankton den Vorteil hat, dass die Fütterung selbst die Wasserqualität nicht beeinträchtigt, würden trotzdem die Ausscheidungen der Tiere die Wasserqualität beeinträchtigen, wobei ich bei meinem nächsten Punkt wäre.
- Filterung: Die Halocaridina Rubra kann man in einem eingefahrenen Becken gut ohne Filterung halten. Da eine Filter Strömung auslöst, würde ich in einem reinen Artenbecken die Haltung ohne Filter bevorzugen (ich habe über die Jahre beides getestet), das ist aber sicherlich auch Geschmacksache (siehe auch Strömung). Zu Bedenken ist, dass die Larven und die Jungtiere wirklich extrem klein sind und in die meisten Filter leicht eindringen können. Sicher ist man nur, wenn der Filter so engmaschig ist wie eine Strumpfhose.
- Strömung: Die Hawaii Garnelen mögen Strömung eher nicht. Wenn sie Strömung direkt ausgesetzt sind, ist ihre Färbung meist blasser und sie wirken etwas schreckhafter. Dies lässt sich bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich umgehen, wenn man die Strömung sehr sanft gestaltet und wenn man bei einem größeren Becken Strömungsfreie Ruhezonen einrichtet. Es könnte allerdings dann sein, dass die Garnelen nicht mehr das ganze Aquarium nutzen. Um den Tieren das Schwimmen zu erleichtern, sollte eine Ruhezone auch nicht nur einen Steinhaufen, in dem sie sich verstecken können, beinhalten, sondern auch eine Freizone aus beruhigtem Wasser außen rum zum Schwimmen.
- Brackwasser: Der Begriff Brackwasser Aquarium oder auch Formulierungen wie „Fragen zu Brackwasser“ ist etwas fehlleitend. Brackwasser bezeichnet alles zwischen Süß und Salzwasser. Das umfasst rein an dem Salzgehalt gemessen aber mehrere verschiedene Lebensräumen, anders als Süß- der Meerwasser die bei bloßer Aufteilung nach Salinität beide nur einen Lebensraum umfassen. In der Realität ist es aber noch komplizierter, da die unterschiedlichen Lebensräume auch noch nach Wasserqualität, Wasserhärte, Strömung, Temperatur und so weiter unterschieden werden müssen. Brackwasser bezeichnet also sehr viele verschiedene Lebensräume. Möchte man Wissen ob verschiedene Lebewesen oder Pflanzen für ein Becken kompatibel sind, muss man zunächst die benötigte Dichte für jeden Kandidaten gesondert recherchieren und danach vergleichen. Manche Lebewesen oder Pflanzen können wie die Halocaridina rubra auch in verschiedenen Dichten leben (haben also eine gewisse Flexibilität). Je mehr man sich allerdings an den Rand dieser Spanne bewegt oder wenn man gar darüber hinausgeht, desto mehr setzt man das Wohl des Tieres oder der Pflanze ins Spiel. Bei dem Experimentieren mit Pflanzen, Algen und Tieren muss man sich also mit dem Tod der Kandidaten anfreunden können (siehe auch Vergesellschaftung)
- Dichte, spezifische Salinität und Dichtemesser: Wenn man ein reines Artenbecken an Halocaridina Rubra hält, kommt man mit gesundem Menschenverstand und etwas Achtsamkeit gut ohne Dichtemesser aus. Das Wasser für Halocaridina Rubra ist leicht hergestellt in dem man pro Liter die Hälfte der angegebenen Dosis an Meerwassersalz (kein Speisesalz aus dem Meer, sondern Meerwassersalz aus dem Fachhandel einer beliebigen etablierten Marke, dass man auch für ein Riffaquarium verwenden würde) verwendet. Danach mit Osmose Wasser oder entkalktem und gefiltertem Wasser das Garnelenverträglich ist ab und zu auffüllen, wenn etwas verdunstet ist. Damit kann man auch ein klein bisschen mehr auffüllen als man ursprünglich drin hatte (das simuliert dann einen Süßwasserzufluss, während die verdunstete Phase eine Trockenphase also einen Meerwasserüberschuss simuliert). In der Regel ist die Schwankung des Salzgehaltes bei kleineren Behältern pro verdunstetem cm größer als bei größeren Becken (wobei das auch auf die Form ankommt). Zwingend notwendig wird ein Dichtemesser und die Auseinandersetzung mit der genauen Salinität erst wenn man Vergesellschaften möchte oder mit Pflanzen/Algen Experimentieren möchte.
- Wasserwechsel: Wie unter Dichte beschrieben regelmäßig mit Osmose Wasser auffüllen. Dadurch bleibt der Salzgehalt gleich. Hat man allerdings regelmäßig Salzkristalle an der Abdeckplatte (diese ist zwingend zu empfehlen wegen Schmutz, Mücken, etc.), muss man ab und zu auch einen Wasserwechsel (mit wie oben beschriebenen gemischtem Salzwasser) durchführen. Ich wechsel Wasser nur 1-2 mal im Jahr, je nach Verschmutzungsgrad, Salzverlust etc.
- Beleuchtung: Je mehr Sonnenlicht desto weniger wichtig ist die Beleuchtung (siehe aber auch Temperatur). Steht das Aquarium in einem dunklen Raum würde ich auf jeden Fall eine Beleuchtung anbringen. Allerdings reichen grundsätzlich auch Lampen die für ein bepflanztes Becken schon etwas zu klein/zu dunkel wären, da die Algen nicht ganz so viel Licht brauchen.
- Fütterung: Fütterung ist nicht notwendig, macht aber Spaß und kann die Vermehrungsrate verbessern (die Garnelen vermehren sich aber auch sehr gut alleine wenn man sie in Ruhe lässt). Hier ist die Devise: „Lieber zu wenig als zu viel“ oder auch „Wochenlanges Fasten ist gesund“. Anderes gilt wenn man einen Filter hat, dann muss man sich nicht so stark zurückhalten, dass hat aber die bei Filter beschriebenen Nachteile.
- Die Einfahrphase ist extrem einfach. Anfüttern ist meistens nicht notwendig, außer man fängt mit sehr vielen Garnelen an. Einfach einrichten und zwei Wochen warten. Sollten schnell Algen wachsen in der Einfahrphase, störende Algen (zum Beispiel Fadenalgen, in denen sich die Garnelen verfangen können) entfernen und solange zusätzlich warten bis das Wachstum langsam ist. Dann kann man die Tiere (natürlich mit langsamer Gewöhnung ans Wasser durch tröpfchenweise Zugabe) beschaffen und reinsetzen.
- Vergesellschaftung: Der erste Schritt ist herauszufinden, welche genaue Dichte der Kandidat braucht. Ist der Kandidat hier kompatibel (kommt nicht oft vor bei Halocaridina durch den sehr speziellen Lebensraum) können die anderen Parameter geprüft werden. Ich persönlich habe seid mehreren Jahren 3 Rennschnecken in meinem Becken, denen es augenscheinlich gut geht, die sich allerdings (wie im Süßwasser auch) nicht vermehren. Rennschnecken sind leider Wildfänge. Bestimmte Turmdeckelschnecken Arten kann man denke ich auch im Brackwasser halten, da müsste ich nochmal nachlesen welche das waren. Die sollten sich auch vermehren bei der Dichte. Seepferdchen und Seenadeln brauchen soweit ich weiß alle eine höhere Dichte, andere Fische wie zum Beispiel Schlammspringer (hier kommen die meisten Pflanzenempfehlungen für Brackwasser her) brauchen eine geringere Dichte.
Ich finde die Tiere echt süß zu beobachten, weil sie so klein und wuselig sind, und super praktisch, weil man sich nicht um sie kümmern muss und auch selten nachfüllen oder wasserwechseln muss.
Die Garnelen sind allerdings nicht meine einzigen Tiere geblieben und aufgrund von Platzmangel und einem unruhigen Leben mit vielen Umzügen stehen meine Tiere und bei Bedarf auch das Becken
zur Abgabe. Wer Interesse an den Tieren hat oder vielleicht die genetische Vielfalt seines eigenen Stammes stärken möchte, kann sich gerne bei mir melden.
LG, Carina