Moin,
ich sag jetzt auch mal was dazu...
Das Problem am Leitungswasser generell sind eigentlich weniger die von uns immer herangezogenen Wasserwerte.
Der pH liegt eigentlich bei jedem Leitungswasser in Deutschland über 7, um die Leitungen zu schonen. Ich habe noch nie von einem deutschen Leitungswasser gehört, was mit einem pH unter 7 aus dem Hahn käme.
Auch mit der Wasserhärte hat es wenig zu tun. Ein Händler hier in der Nähe hält Kardinäle auf einem Wasser von GH 18°, KH 16°, angeblich unbehandeltes Leitungswasser, und dort vermehren sie sich im Verkaufsbecken nicht zu knapp.
Ich habe dann von dort Kardinäle gekauft, weil ja auf Leitungswasser gezogene Kardinäle gut geeignet sein müssten und hab sie hier auf mein Leitungswasser gesetzt. Es hat eine Härte von Gh 14°, KH 11°, sollte also eigentlich gut funktionieren mit den Tieren... sollte, tut es aber nicht. Nicht mal im Geringsten: nach ein paar Wochen waren alle Tiere tot. Und das trotz vorher unauffälligen Verhaltens.
Ich schrieb oben "angeblich unbehandeltes Leitungswasser", und zwar deshalb, weil einige ihr Leitungswasser über einen Blockfilter laufen lassen, der zwar die GH/KH nicht beeinflusst, wohl aber eine ganze Menge anderer Parameter. Aber irgendwie scheint sich die Mehrheit auf GH/KH/pH zu versteifen, und wenn das nicht verändert wird, dann ist eben trotz Blockfilterung "unbehandelt", was natürlich ein Trugschluss ist.
Die für Erfolg oder Misserfolg ausschlaggebenden Wasserwerte sind eben nicht nur die, die wir im Hobby so messen können. Man kann sich die ganze Palette aquaristischer Wassertests zulegen, sein Leitungswasser damit komplett durchmessen, alles im grünen Bereich vorfinden und trotzdem gehen die Garnelen ein.
Das Problem ist eben, daß die Tiere leider keine Rücksicht darauf nehmen, ob der große Wassertestkoffer sagt, daß alles in Ordnung ist. Der misst allerdings auch keine Schwermetall-, Pestizid- und Sonstwasbelastung.
Und genau da dürfte der Hund begraben liegen. Garnelen sind nämlich oft viel empfindlicher als Fische. Ich halte hier z.B. Perlhuhnbärblinge auf wirklich unbehandeltem Leitungswasser, lediglich ein wenig Wasseraufbereiter wird wegen eines leichten Chlorgeruchs des Wassers benutzt. Die Viecher vermehren sich darauf ganz gut, wenn auch nicht übermäßig. Ich vermehre allerdings auch nur zur Erhaltung des Stammes, also keine Zuchtambitionen.
Das gleiche Wasser klappt für RedFire sehr gut. Für Bees/Taiwaner und Sulawesi-Garnelen aber gar nicht.
Von der so oft propagierten Idee, das Leitungswasser sei in Deutschland so gut, das könne man überall bedenkenlos verwenden kann man sich ganz schnell verabschieden. Klar, unser Leitungswasser ist im internationalen Vergleich sehr gut, überall in Deutschland. Und für Menschen ist es auch überall geniessbar. Aber Menschen stecken eben mehr weg als Garnelen, viel mehr. Außerdem gibt es regional starke Unterschiede, und viele vergessen auch die Hausleitungen, wo auch noch unerwünschte Stoffe ins Wasser gelangen können.
Für Garnelen ist das Wasser eben oft nicht geeignet. Und hinzu kommt die aus der Fischaquaristik propagierte Meinung, daß Wasseraufbereitungsmittel unsinnig sind. Klar, bei manchen Leitungswässern sind sie das, bei Osmose/VE/Regenwasser sowieso. Aber viele Wässer brauchen eben doch so etwas, um Schwermetalle und vor allem Chlor zu binden. Mein Leitungswasser riecht besonders im Sommer meist leicht nach Chlor, ohne Wasseraufbereiter geht da gar nix. Ob es jetzt AquaSafe, GarniSafe, EasyLife oder wie sie alle heissen ist egal.
Aber oft reicht so ein Wasseraufbereiter immer noch nicht, weil der nicht alles binden kann, und rausholen tut der eh nix, es bleibt ja alles irgendwie gebunden im Wasser. Bei chlor funktioniert es (riechbar) gut, obs z.B. auch bei Pestiziden (und was die Garnelen sonst noch stört) funktioniert, sei dahingestellt. Meine eigene Erfahrung ist: für Fische oft gut, für Garnelen nicht gut genug. Wobei man Fische hier nicht über einen Kamm scheren darf, Disketten und viele andere Arten können auf Leitungswasser auch oft nicht...
Letztendlich habe ich mir dann vor ein paar Wochen vorrangig wegen der Bees eine Osmoseanlage angeschafft. Ich hab eine Nummer größer genommen, weil ich nicht so einen Tröpfelapparat haben wollte. Meine spuckt in der Stunde 45l aus, das sind 1200l/Tag. Die kleinen Anlagen schaffen ja nur maximal 400l/Tag... und mit Tag sind 24Std. gemeint, da braucht man schon für einen 10l-Kanister ewig, nämlich fast 40 Minuten.
Meine Anlage schafft das in gut 10 Minuten. Die Anlage kostet zwar ca.250€, aber dafür hat man dann Ruhe. Sie ist etwas größer, daher habe ich sie in der Küche im Unterschrank unterm Waschbecken plaziert. Der Vorteil: durch die relativ zügige Wasserentnahme kann man das auch zum Kochen und Trinken verwenden, Tee/Kaffee gelingen viel besser und es schmeckt auch viel besser als das Leitungswasser, zumindest hier. Wer wissen will, wo ich so eine Anlage her habe, kann mir ne PN schicken. Ich kenne den Besitzer des Shops nicht und bekomme auch keine Provision oder dergleichen, habe aber Angebote verglichen und finde die Anlagen dort preiswert und gut. Meine funktioniert einwandfrei, erreicht die 1200l auch tatsächlich und macht mir aus Wasser mit einem Leitwert von über 600µS eines mit gerade mal 15µS, was mir völlig reicht.
Letztendlich kann man es mit dem Leitungswasser probieren, bei 80-90% der Wässer hier in Deutschland klappt das aber nicht, wenn man sich die Berichte ansieht. Das gilt für Sulawesis, bei Bees/Taiwaner dürfte die Erfolgsquote noch geringer sein.
Ich habs probiert und es ging nicht.
Jetzt mit der Osmoseanlage und den neuen Tieren - mittlerweile habe ich auch seit 3 Wochen ein neues Sulawesi-Becken - habe ich zwar noch keinen Nachwuchs, die Tiere sind entweder noch zu jung oder zu kurz hier, aber dieses tröpfelnde Wegsterben von einzelnen Tieren im Abstand von jeweils wenigen Tagen ist nicht mehr da.
Es ist etwas verwirrend, daß hier im Forum in Verbindung mit Sulawesi-Garnelen oft von der "Karin-Methode" gesprochen wird, denn das bezieht sich lediglich auf das Halten bei höheren Temperaturen (was einem sogar der Händler sagt) und das Aufhärten von Osmose-/VE-Wasser, was jetzt auch nichts Besonderes darstellt, denn jeder der Osmosewasser verwendet härtet das auch auf, anders gehts ja gar nicht.
Viel interessanter sind ja für den, der schon auf Osmose umgestiegen ist, andere Parameter, wie Filterung, Einrichtung, Strömung etc.
Und vor allem: die Rolle der Tylos in so einem Becken und die Fütterung.
Denn anscheinend sind die Ausscheidungen der Tylos nicht ganz unbedeutend für die Garnelen, ohne das jetzt weiter auszuführen
Und das Thema Fütterung ist eben anders als bei anderen Garnelen: denen wirft man ein Stückchen Futter rein, welches nach kürzester Zeit bevölkert wird. Bei den Kardinälen funktioniert das aber nicht, die nehmen von so einem Stück keine Notiz.
Also muss man Staubfutter nehmen, bei manchen klappt zerriebenes Flockenfutter. Mir wäre das dauerhaft zuviel Protein, deswegen verwende ich bisher Super 5 Staubfutter und auch gelegentlich Chi Ebi, also im Wesentlichen Aufzuchtfutter. Kann aber auch sein, daß Kardinäle mehr Protein als beispielsweise Bees benötigen und man daher doch normales Flockenfutter verwenden sollte, mir fehlts da noch an Erfahrung.
Problematisch außerdem bei Staubfutter: die Dosierung!
Wenn ich "normales" Garnelenfutter verwende, dann kann ich das übrig gebliebenen Bröckchen nach ein paar Stunden einsammeln. Bei Staubfutter sehe ich nichtmal, wieviel im Endeffekt gefressen wurde.
Ich versuche gerade ca. alle 2 Tage eine Messerspitze (das Becken hat 12l und derzeit 7 Kardinäleund 6 Mini-Tylos) und behalte dabei sowohl die Tiere als auch den Nitratwert im Auge. Letzterer würde bei Überfütterung wohl recht schnell ansteigen. Wie gesagt, das läuft alles erst seit wenigen Wochen und man muss sich mit viel Geduld herantasten, insbesondere natürlich bei so einem kleinen Becken.
Ein erwähnenswerter Hinweis noch: auch ich habe - neben der Hauptfilterung (Bodenfilter mit Huckepackfilter kombiniert) - einen kleinen, luftbetriebenen Schwammfilter mit im Becken wie viele andere auch. Das war vor allem zum Austreiben von CO2 gedacht. Der Schwamm ist jedoch sehr beliebt, permanent sitzt mindestens die Hälfte der Tiere auf dem Schwamm und weidet ihn ab. Kurzum: Schwammfilter scheinen ebenfalls nicht unwichtig zu sein, insbesondere als Nahrungsgrundlage.
Mehr hab ich momentan nicht. Es war mir nur wichtig, mal ein paar Sachen zu erwähnen, weil so oft das Leitungswasser über die aquaristische Wassertestpalette definiert wird.
Viele Grüße,
Bernhard