Hallo,
also ich kann die Aufregung nicht wirklich verstehen, denn es lässt sich doch alles ganz leicht mit den Naturgesetzen der Garnelenhalterei erklären:
1. Red Fire, Sakura, Bloody Mary usw.
Zunächst sollte man mal klar eingrenzen, was unter dem Begriff "Bloody Mary" zu verstehen ist. Meiner persönlichen Meinung nach ist das nicht wirklich geklärt. Während es ja nun wirklich einfach ist eine Sakura und eine Yellow Fire zu unterscheiden, geht es hier doch "nur" um unterschiedliche Rottöne. Meines Wissens nach existiert derzeit keine allgemein anerkannte Klassifikation für Neocaridina. Bestenfalls gibt es Umschreibungen welches Merkmal wie ausgeprägt sein sollte.
Während wir uns noch ziemlich einig sind, dass Red Fire sich durch ein Sprenkelmuster auszeichnen, sind sowohl Sakura, als auch Bloody Mary nur farblich zu unterscheiden. Farbe ist aber nichts absolutes, außer man nimmt DIE ideale Garnele und misst ihre Farbe unter standardisierten Bedingungen um sie als RAL oder Pantone auszudrücken.
Alles andere ist relativ, denn wenn ich eine gut ausgefärbte Sakura auf dem blanken Bodengrund fotografiere und das gleiche Tier auf und vor grüner Bepflanzung, dann sorgt allein die Komplementärfarbe Grün dafür, dass die Tiere knackig rot leuchten.
Während die Sakuras ja aus den Red Fire (ehemals Red Cherry) herausgezüchtet wurden, und Sakura ist das japanische Wort für Kirschblüte, stammen die Bloody Marys dem Vernehmen nach von den Schoko-Neocaridina ab, da man dem Rot eine braune Unterfärbung hinzufügen wollte, um der Farbe mehr Tiefe zu geben (ist bei Taiwanern übrigens ähnlich, da nennt sich die Unterzeichnung "Shadow", weshalb die Taiwaner im angelsächsischen Sprachraum als Shadows bezeichnet werden).
D.h. es wird wohl immer eine Grauzone (Rotzone?) geben, wo man bei einem Tier nicht 100%ig sagen kann, ob das nun eine Sakura oder eine Bloody Mary ist.
Bei der Frage nach der Farbdeckung wird es dann noch schwieriger, denn wann ein Tier ein sehr gute Redfire oder eine schlechte Sakura/Mary ist, ist nirgendwo genau niedergelegt.
Sicherlich kann man bei einem komplett deckend gefärbten Tier mit ausgefärbten Beinchen und Fühleransätzen klar sagen, dass es ein tolles Tier ist, nur wie viel weniger lässt es aus dieser Bezeichnung herausrutschen, und was ist objektivierbar und was ist Geschmackssache des Einzelnen?
2. Genetik ist keine Einbahnstraße
So wie Merkmale durch Spontanmutation irgendwann mal in einer Population auftreten können und dann züchterisch weiterverfolgt werden, so kann ebenfalls eine spontane Mutation vom Zuchtziel weg erfolgen. Auch beobachtet man ja, dass in sehr stark züchterisch bearbeiteten Stämmen immer mal wieder Ausreißer auftreten. Erfolgt der Ausreißer in die gewünschte Richtung, dann freut man sich, geht es in die andere Richtung, dann nicht. Aber das sind alles Wahrscheinlichkeiten und keine absoluten Ereignisse.
3. Die sogenannten Top-Tiere
Ich möchte an dieser Stelle mal die Erinnerung der älteren User auffrischen und den Youngster hier mal mit eine Geschichte aus der Zeit des Garnelenbooms erzählen:
Wenn man sich mal an die Zeit erinnert, als für Bees, besonders die PRLs, teilweise horrende Preise bezahlt und Namen wie Benibachi und Co in jedem 3. Thread im Forum auftauchten, so wird man sich vielleicht auch erinnern, dass die ganzen Züchter ihre Tiere in unterschiedlichen Qualitätsstufen angeboten haben. Die hatten nämlich ihre Tiere für einen Haufen Geld importiert und dann damit weitergezüchtet.
Das lag und liegt einfach daran, dass in jedem Stamm nur ein geringer Anteil der sog. "Top-Tiere" und mit Masse eben Durchschnitt und ein kleinere Teil am unteren Ende der Skala auftaucht.
Faustregel war und ist (meiner Meinung nach):
Gehe zu einem ernsthaften Züchter in den Keller und du findest pro Stamm 4 Becken:
a) ein Becken mit einer geringen Anzahl der Top-Tiere
b) ein Becken mit der breiten Masse des Mittelfelds
c) ein Becken mit einer gewissen Anzahl des unteren Endes der Skala und
d) ein Becken mit Tieren wo man noch nicht so richtig absehen kann, wie sie sich einsortieren
Als Käufer wird man eine sehr geringe Anzahl Top-Tiere nur gegen einen entsprechenden Geldbetrag von einem Züchter erwerben können, und dann wird er die absoluten Spitzentiere auch für seine eigene Zucht behalten, es sei denn, er gibt einen Stamm vielleicht nach einem gewonnenen Championat komplett und lukrativ ab.
Oft werden ja Bilder der Elterntiere gezeigt, um damit zu zeigen, welches Erbgut im Nachwuchs steckt, auch wenn er vielleicht nicht so hübsch geraten ist, wie Mama und Papa. Im Endeffekt zielt das auf die Zielgruppe ab, die zwar gerne Top-Tiere hätten, aber nicht bereit oder in der Lage sind entsprechend finanziellen Einsatz zu bringen. Diese Leute hoffen dann darauf, dass in den nächsten Generationen mal Top-Tiere auftauchen.
Meistens scheitert das aber daran, dass diese Zielgruppe auch die Ausgabe für eine entsprechende Zuchtanlage scheut und damit nicht über die Möglichkeit verfügt eventuelle Glückstreffer züchterisch zu nutzen.
Übertragen wir das mal auf einen Onlineshop, so ist doch klar, was man in die Tüte bekommt: Einen Mix aus dem, was im Verkaufsbecken paddelt. Vielleicht stammen die Tiere ja von einem guten Stamm ab, aber es wird immer mehr oder weniger stark variieren. Ein Händler wird vielleicht noch darauf achten einen ausgewogenen Mix zu liefern, aber wenn er wirklich nur Top-Tiere in die Tüte packt, hat er irgendwann nur noch das Mittelfeld und die sog. "schlechten" Tiere im Becken.
Wenn im Online-Shop steht, dass z.B. 200 Tiere sofort verfügbar sind, dann werden das nicht nur die Super-Tiere sein. Angenommen es wären 10% der Tiere super, dann müssten irgendwo ja noch 1800 Stück sitzen, die nicht so toll sind.
Egal wie laut ein Anbieter (egal ob privat oder Shop) kräht, dass er nur die besten Tiere hat und das auch noch super-günstig, es ist nur die halbe Wahrheit. Ein Anbieter kann für mich maximal damit punkten, wenn die Tiere aus einer verantwortungsvollen Zucht und Haltung kommen.
Will ich die Super-Tiere, dann muss ich mir die selbst vor Ort anschauen und aussuchen. Außerdem muss ich mir dann den Stamm im Ganzen mal anschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo er züchterisch steht.
Für den aktuellen Fall sehe ich eigentlich nur folgende Optionen/Ursachen:
1. Der Anbieter ist ein leicht euphorischer Halter, der seine Tiere selbst als super empfindet und so anpreist ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass sie im Vergleich nicht so gut wegkommen.
2. Der Anbieter übertreibt bewusst zur Verkausförderung
3. Die Erwartungshaltung des Threaderstellers passt nicht zum finanziellen Einsatz
4. Man hat einfach aneinander vorbeigeredet bzw. bei gleichen Begriffen unterschiedliche Vorstellungen.
Mein Lösungsansatz:
Unabhängig davon, ob es sich nun um Sakuras, Bloody Marys, Super-Duper-Redfire oder die rote Garnele vom Mars handelt, sehe ich auf den Bildern hübsche Tiere. Wenn sie sich nun in der Folge als gesund und agil erweisen, wird man mit ihnen sicherlich auch seine Freude haben können, denn ihr Verhalten ist mit Sicherheit genauso interessant anzuschauen und zu beobachten. Wenn man einen Stamm eine Weile pflegt wächst er einem auch ans Herz und nach ein paar Generationen sind dann nur noch Tiere da, die im Becken geboren wurden und ein völlig entspanntes Verhalten zeigen, so dass sie bei Arbeiten im Becken völlig angstfrei im Weg rumstehen oder sogar auf den Händen sitzen.
Ich würde mich also nicht so sehr darauf versteifen, dass es optisch jetzt nicht meine Traumtiere sind. Traumtiere gibts wirklich nur dann, wenn man sie sich selbst aussucht und je nach persönlichem Traum auch nur für entsprechendes Geld. Das erste Becken ist daher oft auch nicht der richtige Ort zur Traumverwirklichung, denn gerade als Anfänger mit allen Startschwierigkeiten hat man ja doch eine gewisse und auch gesunde Hemmung richtig Geld in die Hand zu nehmen.
Entweder du sagst jetzt also: Nein, dass sind nicht meine Tiere, dann musst du sie eben zügig abgeben und dich auf die Suche nach "deinen" Tieren begeben, oder aber du freust dich einfach an deinen ersten Garnelen, lässt dir von ihnen beibringen, wie man sie erfolgreich hält, sammelst Erfahrungen, und das nächste Becken wird dann irgendwann für die Traumgarnelen aufgestellt. Denn ich glaube nicht, dass du die Tiere wieder hergeben willst, wenn sie eine Weile bei dir waren.
Ich habe auch noch meinen ersten Stamm CRs, der inzwischen die 4 Beckenrenovierung erlebt hat und nun schon 6 Jahre bei mir wohnt. Man kennt sich und schätzt sich.
VG vom Himalaya
Yeti